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"Wissen, Üben, Dranbleiben ist das Motto!"

Verfasst von Michael Stratmann & Kay Bartelt   //  
Verfasst von Michael Stratmann & Kay Bartelt
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Prof. Dr. Katja Nettesheim ist Gründerin und Geschäftsführerin des Startups Culcha. Die erfahrene Unternehmerin war zu Beginn ihrer Berufstätigkeit als Rechtsanwältin tätig und gründete nach Stationen bei BCG und Axel Springer im Jahr 2009 das Beratungsunternehmen _MEDIATE. Seit Anfang 2017 ist sie Professorin für Digitales Medienmanagement an der Steinbeis-Hochschule Berlin.

Frau Prof. Nettesheim, in den letzten drei Jahren hat sich viel verändert. Bei Ihnen auch?

Ja, so einiges. Ich habe im Jahr 2019 Culcha gegründet, ein Startup zusammen mit Philipp Eschenbach, und bin von der Beratungsbranche in die Softwareentwicklung gewechselt. Im Zuge dessen habe ich viele meiner vorigen Aktivitäten beendet. Der Übergang war kein harter Bruch, sondern eine logische Weiterentwicklung meiner bisherigen beruflichen Aktivitäten.

Mit _MEDIATE hatten wir viele Unternehmen, insbesondere in der Medienbranche, dabei beraten, wie sie die digitale Transformation meistern können. Diese ist ja kein Selbstzweck, sondern bedeutet, wettbewerbsfähig gegenüber den neuen Anbietern zu bleiben, die die Erfolgsfaktoren der digitalen Wirtschaft kennen und beherrschen. Es ging also nicht nur darum, alle Prozesse digital aufzusetzen, sondern auch allen Beteiligten des Unternehmens die Erfolgsfaktoren des Wirtschaftens im digitalen Zeitalter nahezubringen.

Welche Erfolgsfaktoren meinen Sie?

Hier sind vor allem Datenzentrierung, Kundenzentrierung, Anschlussfähigkeit sowie der Einsatz von neuen Technologien zu nennen. Es braucht aber insbesondere einer Aufmerksamkeit gegenüber den Mitarbeitern, um sie für solche Themen zugänglich zu machen. Wir haben den Transformationsprozess daher in drei Phasen aufgeteilt: Aufklären, Anerkennen und Anwenden.

In der ersten Phase ergeben sich regelmäßig keine Probleme. In der zweiten Phase gelangt man teilweise in einen Coaching-Prozess und stellt Unterschiede bei den Mitarbeitenden fest, etwa im Hinblick auf Position und Generation. In der Anwendungsphase gelang es im Rahmen unserer persönlichen Anwesenheit beim Kunden gut, die Mitarbeiter einzubinden, da man gemeinsam mit ihnen arbeiten konnte. Wir waren aber immer budgetabhängig bei der Umsetzung und wollten eine Lösung dafür finden, die auch skalieren kann.

Culcha?

Die wichtigste Erfahrung aus dieser Zeit war: Digitale Transformation ist nicht gleich Digitalisierung. Das Erstgenannte funktioniert nur, wenn auch Herz und Kopf dabei sind. Daher muss jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin im Unternehmen eingebunden werden und nicht nur die Top-Performer. Unsere Marke repräsentiert diesen Ansatz in Form eines Kofferwortes – Culcha steht für Culture Change.

Es ist ebenso erforderlich, dass alle Aktivitäten auf eine gewisse Dauer angelegt sind, um die gewünschten Verhaltensanpassungen zu erzielen. Im Zuge dessen ist vor allem ein behutsamer Umgang mit Führungskräften gefragt, da sie am meisten von den Auswirkungen der digitalen Transformation betroffen sind.

Wir haben uns in dem Prozess gewissermaßen selbst kannibalisiert und gefragt, wie unsere Beratungsarbeit durch den Einsatz von digitalen Technologien überflüssig wird. Insofern tun wir das Gleiche wie früher, nur jetzt toolbasiert. Dies ermöglicht uns, in einer leicht zugänglichen Art und Weise das Wissen zu präsentieren, das nötig ist, um Zusammenarbeit und Führung zu modernisieren.

Wie muss man sich das vorstellen?

Über unsere App werden aktuell zirka 80 verschiedene Themen angeboten. Sie präsentiert pro Thema u.a. Best Practices, um bestimmte Arbeitsabläufe zu gestalten und lässt den Nutzer oder die Nutzerin in diesem Prozess selbst auswählen. Mithilfe dieses Verfahrens werden die Mitarbeitenden in die Lage versetzt, bestimmte Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Wir berücksichtigen bei der Darstellung in der App auch Erkenntnisse aus dem Behavior Change Design, welches Verhaltensänderungen bewirken will durch eine spezifische Gestaltung von digitalen Produkten. Insofern sind in unsere Anwendung auch Elemente der Psychologie sowie der Sozial- und Neurowissenschaften eingeflossen.

Sollen mit Culcha auch erzieherische Aspekte umgesetzt werden?

Ich würde es nicht so nennen. Es ist als B2B-SaaS-Lösung eher eine „Fitness-App für den Arbeitsplatz“, die einen nachhaltigen Anspruch hat: Wissen, Üben, Dranbleiben ist das Motto! Wir setzen dabei voll auf einen Gamification-Ansatz, das heißt es gibt Punkte, Level, Expertisen – und das jeweils individuell, als Team und als Unternehmen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die dauerhafte Einbindung aller Mitarbeiter deutlich bessere Erfolgschancen verspricht.

Auf der strategischen Ebene bieten wir Unternehmen an, ausgewählte Kommunikationsprozesse zentral über die App zu steuern. Gerade in Zeiten der Veränderung ist der Orientierungs- und Coachingbedarf im Arbeitsalltag enorm angestiegen. Culcha ermöglicht eine dauerhafte Kommunikation an alle Mitarbeitenden abteilungsübergreifend, und stellt dabei sicher, dass Zielvorgaben erreicht werden. Die App eröffnet so einen direkten Weg von der Strategie zur Umsetzung im Unternehmen.

Wie finanziert sich die Plattform?

Den Zugang zu Culcha bekommen die Kunden über eine Unternehmenslizenz – wir bieten ein klassisches Subscription-Modell. Inzwischen kommen CIOs und HR-Verantwortliche ganz unterschiedlicher Konzerne auf uns zu, weil sie von den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten begeistert sind.

Die Herausforderungen der Kunden sind nicht branchenspezifisch. Viele Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen müssen sich zum Beispiel agiler sowie kunden- und datenzentrierter aufstellen. Wir decken aber auch andere Themen ab, wie zum Beispiel Resilienz, nachhaltiges Wirtschaften und optimale hybride Zusammenarbeit.

Wir sehen erfreulicherweise, dass insbesondere CIOs ihre IT-Abteilungen zu lösungsorientierten Serviceanbietern im eigenen Konzern ausbauen wollen. Culcha unterstützt sie dabei mit einer speziellen, an ihre konkreten Bedarfe anpassbaren, Cloud-Software.

Wie sieht es im Bereich der Erfolgskontrolle aus?

Mit Culcha kann man den Fortschritt der Organisation messbar machen. Früher war es so, dass derjenige, der neue Wege im Unternehmen gehen wollte, häufig der Außenseiter war. Man hat es schon immer so gemacht. Mit den kohorten-basierten Prozessen von Culcha, die alle Teams und ihre Führungskräfte zur selben Zeit durchlaufen, ist nun derjenige der Außenseiter, der noch die alten Wege gehen will.

Wir sehen häufig, dass es insbesondere für Führungskräfte schwierig ist, erst kürzlich Erlerntes umzusetzen. Dann noch die Mitarbeitenden von den Vorteilen des für sie wenig Bekannten zu überzeugen, führt häufig zu Problemen. Über Culcha hat jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter die Chance zur Teilnahme an einer Kombination aus täglichem Lernen, technisch vermitteltem Coaching und messbarer Steuerung des eigenen Verhaltens.

Abschließend eine persönliche Frage: Sie haben Jura studiert und als Rechtsanwältin gearbeitet – warum nun ein Startup?

In meiner Jugend wollte ich eigentlich Kostümbildnerin werden. Aber so mit 17 Jahren kam das Streben nach Unabhängigkeit in mir hoch, und ich wollte nicht dem Goodwill eines Regisseurs am Staatstheater unterliegen.

An Jura faszinierte mich von Beginn an dieses konsequente Abbilden der Lebenswirklichkeit in einer weiteren Dimension. Diese Art und Weise, die Realität zu betrachten, hat mich intellektuell sehr angesprochen. Ich habe das Jura-Studium nie bereut und zehre noch heute von der harten Schule der zwei bayerischen Staatsexamina.

Ich habe eine große Neugier in mir und fand es immer blöd, erst hinzugezogen zu werden, wenn alle Entscheidungen schon gefallen waren. Bei einem Startup ist man für alles verantwortlich und arbeitet leider auch an die 70 Stunden pro Woche. Aber man lernt wahnsinnig viel – über das Geschäft und über sich selbst. Und gegebenenfalls zahlt es sich richtig aus. Mit den Worten meines geschätzten Mentors : „Man muss das Leben auch als Werk betrachten.“

Vielen Dank für das Gespräch!