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Internet, Version 3?

Verfasst von Kay Bartelt   //  
Verfasst von Kay Bartelt
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Buchvorstellung: „Read Write Own – Building the Next Era of the Internet“ von Chris Dixon.

Ausgangsthese: In den vergangenen 20 Jahren ist das Web von wenigen (amerikanischen) Big-Tech-Unternehmen monopolisiert worden. Großkonzerne, die Online-Verhalten, Standorte, Suchanfragen, Einkäufe und soziale Interaktionen der Nutzer ihrer Plattformen sammeln und lukrativ für sich verwerten.

In seinem Anfang 2024 erschienenen Buch kritisiert Autor Chris Dixon diese Form des Überwachungskapitalismus. Er argumentiert, dass die großen Technologieunternehmen ihren Nutzern und Entwicklern die Kontrolle, Eigentumsrechte und Gestaltungsmöglichkeiten entzogen haben. Diese Entwicklung im Internet vollzog sich in den drei buchtitelgebenden Phasen:

Web1: Die Lese-Ära von 1990 bis 2005 demokratisiert das weltweite Wissen auf Basis der frühen Internet-Protokollnetzwerke. Zuerst übertragen statische Webseiten die angeforderten Informationen. Mit der Zeit etablieren sich dynamische Services wie E-Mail, Messenger, Suchmaschinen und Online-Shops.

Web2: Die Lese-Schreib-Ära von zirka 2006 bis 2020 zeichnet sich durch die Möglichkeit aus, Inhalte nicht nur zu lesen, sondern auch selbst ohne technische Kenntnisse erstellen und öffentlich teilen zu können. Die Datenverarbeitung und Monetarisierung der Nutzeraktivitäten erfolgt dabei überwiegend in zentralisierten Unternehmensnetzwerken im Rahmen eines "Attract-Extract-Cycle".

Web3: Seit etwa 2020 ist nun die Lese-Schreib-Besitz-Ära angebrochen, bei der es um die Dezentralisierung der Ressourcen und den persönlichen (Daten-)Besitz im Internet geht. In dezentralisierten Systemen sollen die Ressourcen wieder den Netzwerknutzern zufließen, um Anreize für Innovation und Wachstum zu schaffen.

Die Zukunft des (F)Internets

Dixon positioniert die Blockchain-Technologie als nächsten logischen Schritt und dritte Evolutionsstufe des Internets. Web3 kombiniert die Offenheit des Web1 mit der Struktur der Web2-Datenbanken. Blockchains sollten dabei nicht nur als verteilte Hauptbücher (distributed ledger) angesehen werden. Sie sind vor allem "Computer, die beliebige Software ausführen können", auch automatisch via Smart Contract.

Blockchains als peer-to-peer-Netzwerke ermöglichen es, dass die Kontrolle nicht mehr bei einer zentralen Instanz liegt, sondern dezentral auf ein Computer-Netzwerk verteilt ist. Die dezentrale Natur der Datenhaltung bietet Transparenz und Sicherheit, jeder Teilnehmer im Netzwerk kann alle Transaktionen nachprüfen.

Mit den Web3-Technologien lassen sich auch "zum ersten Mal unantastbare Regeln in Software etablieren". Regeln, die in einer Blockchain kodiert sind, können nicht willkürlich geändert werden. Mit diesen "state machines" können offene und demokratische Netzwerke geschaffen werden, in denen alle Teilnehmer eine Stimme haben und an der Entscheidungsfindung beteiligt sind.

Digitales Eigentum

Zentrales Element der Web3-Technologien ist das Konzept des Tokens. Dixon definiert Token als digitale Vermögenswerte, die Eigentumsrechte verleihen, monetäre Anreize schaffen und neue Koordinationsmöglichkeiten eröffnen. Mit anderen Worten geht es um die Art und Weise, wie digitale Informationen gespeichert, geteilt und besessen werden.

Der Autor zeigt auf, dass Blockchains neue Funktionen wie Kontostände, Zahlungen und einen globalen Datenstand erlauben – sie bringen seiner Meinung nach alle Voraussetzungen mit, um die bestehenden Webanwendungen grundlegend zu transformieren. Token verschaffen Nutzern – im Gegensatz zu Big Tech – Eigentumsrechte an digitalen Vermögenswerten und erlauben, die Kontrolle über die eigenen Daten und Ressourcen zu behalten.

Token können auch als Anreize für verschiedene Aktivitäten dienen, z.B. bei Teilnahme in sozialen Netzwerken, in Kundenbindungsprogrammen oder als Incentive für den Kauf von Gütern. Sie können die Nutzer motivieren, aktiv zu werden und zum Wachstum der Token-Community beizutragen.

Das Buch benennt ebenfalls neue Finanzierungsmöglichkeiten via Token, wie z.B. Initial Coin Offerings (ICOs) und Token Presales. Mit diesen Methoden kann Kapital für Web3-Startups eingesammelt werden ohne traditionelle Finanzierungswege nutzen zu müssen.

Insgesamt zeichnet der Autor ein einseitig positives Bild der neuen Internet-Ära. Als General Partner bei Andreessen Horowitz, einer der führenden Risikokapitalfirmen im Technologiesektor hat er in zahlreiche Blockchain-Projekte investiert und ist ihrem Erfolg verpflichtet. Insofern sucht man in diesem Buch vergeblich nach einer kritischen Reflexion des Themas.

Weiterführende Informationen zum digitalen Finanzsystem hat die Bank for International Settlements (BIS) veröffentlicht. Ihr im Frühjahr vorgestelltes Finternet-Konzept integriert mehrere miteinander vernetzte Finanzökosysteme auf Basis von offenen, interoperablen Technologien und Protokollen.

 

rwo dixonRead Write Own –
Building the Next Era of the Internet

Autor: Chris Dixon

Verlag: Random House
Seitenzahl: 320
Sprache: Englisch