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Prozessmodellierung mit Camunda

Verfasst von Frank Oehlschläger   //  

Prozessmodellierung muss nicht zwingend den ersten Schritt zur Automatisierung bedeuten. Ein detailliert genug ausgearbeitetes Prozessmodell spart auch viel Dokumentationsaufwand, ermöglicht einen gemeinsamen Wissenszugang und ist bei Änderungsbedarf einfach anpassbar.

Grafische Prozessmodelle machen Geschäftsabläufe visuell transparent und damit für Dritte objektiv nachvollziehbar. Sie bringen Informations- und Handlungsflüsse in einen zeitlichen Zusammenhang.

Dabei kann das Modell einen Prozessablauf entlang vorhandener Organisations- und Hierarchieebenen gliedern und Verantwortlichkeiten, IT-Systeme und Prozess-Schnittstellen visualisieren.

Sie ermöglichen ebenso das Auffinden von versteckten organisatorischen und technischen Prozessrisiken. Durch die eindeutige Zuordnung von Rollen, Fachaufgaben und Ressourcen werden die Geschäftsabläufe - im wahrsten Sinne des Wortes - übersichtlich.

Vorteile für die Zusammenarbeit

Visualisierte Prozesse schaffen ein gemeinsames einheitliches Verständnis über den Einsatz von Standardabläufen, beschreiben deren Vorgehensweise und modellieren die Abfolge von Arbeitsschritten.

Sie können alle beteiligten Mitarbeiter durch klare Verantwortlichkeiten, eindeutige Schnittstellen und eine abgestimmte zeitliche Reihenfolge der Aktivitäten unterstützen.

Anhand eines Prozessmodells lassen sich ebenfalls Kriterien für das betriebsinterne Kontrollsystem (Revision) und Anhaltspunkte zur präventiven Prozessoptimierung gewinnen.

Mit der Modellierung werden:

  • Unternehmensabläufe grafisch dargestellt
  • verschiedene Eingangsfälle und Zielszenarien bestimmt
  • Ressourcen zugeordnet
  • Engpässe und Flaschenhälse früher erkennbar
  • Potentiale für die Optimierung von Abläufen aufgezeigt

Problemstellung

Die Fachbereiche wollen Prozesse modellieren. Dabei sind folgende Fragen zu klären:

  • Welche Prozesse, Services und Eingabemasken existieren?
  • Was ist der Auslöser eines bestimmten Vorgangs?
  • Welche Personen bearbeitet ihn?
  • Welche Informationen/Dokumente sind nötig?
  • Welche Abhängigkeiten existieren?
  • Welche Risiken sind enthalten?

Auf Basis der Bewertung der Ist-Prozesse kann eine Übersicht der fachlichen End-to-End-Prozesse erstellt werden und daraus eine Auswahl der zu automatisierenden Prozessschritte erfolgen. Die Ergebnisse liefern ebenso Entscheidungsvorlagen dafür, welche Prozesse nicht automatisierbar sind bzw. nicht automatisiert werden sollen.

Die Werkzeuge: BPMN und Cawemo

In der Geschäftsprozessmodellierung hat sich die Business Process Model and Notation (BPMN) als grafische Spezifikationssprache etabliert. Sie wird vom deutschen Hersteller Camunda in der Version 2.0 als Standard bei der Prozessdefinition eingesetzt.

Unternehmen, die ihre Geschäftsprozesse als Workflows abbilden wollen, können dafür die Software von Camunda meist kostenfrei verwenden. Camunda BPM wird als Open Source Plattform für Workflow und Decision Automation vor allem in Projekten eingesetzt, die darauf abzielen, Abläufe zu digitalisieren und möglichst automatisiert ausführen zu lassen.

Die Modellierungs-Software aus dem Camunda Tool-Stack erleichtert Fachabteilungen, Abläufe zu modellieren und gemeinsam daran zu arbeiten. Ein BPMN-Modell kann u.a. verwendet für:

  • Anforderungsdesign
  • Problemanalyse
  • Lösungsdesign
  • Systemanalyse / Design
  • Ressourcenoptimierung

Camunda verwendet folgende Standards:

  • BPMN 2.0 als Standard zur Prozessdefinition
  • DMN 1.1 als Standard zur Definition wiederholbarer Entscheidungen

Der Camunda Stack bringt Transparenz ins Tagesgeschäft und steigert die Effizienz, Zuverlässigkeit und Skalierbarkeit von Geschäftsprozessen, die über verteilte Systeme hinweg in hoher Frequenz ausgeführt werden.

Er wird derzeit als Open Source angeboten sowie in einer Enterprise Lizenzlösung mit professionellem Support und einer History der Prozessinstanzen. Die Werkzeuge bieten neben der Modellierung noch die Kategorien Automatisierung, Auswertung und Verbesserung an.

Cawemo – Camunda Web Modeler

Cawemo ist ein kollaboratives Modellierungswerkzeug, mit dem mehrere Benutzer BPMN-Prozessdiagramme auf einer einzigen Plattform erstellen, bearbeiten und freigeben können. Die Grafik-Outputs können in Websites und Textdokumenten genutzt und der Export als BPMN XML kann im Camunda Modeler verwendet werden, das Entwicklertool des Camunda-Stacks.

Cawemo hat den Vorteil, dass man nichts herunterladen muss. Man benötigt nur einen Browser und einen Login bei der Cawemo Cloud. Camunda bietet gratis Zugang zur Community Edition, der erweiterbar ist auf eine Enterprise Edition (EE). Diese bietet neben direktem und schnellem Support auch eine Änderungsübersicht zwischen den „Meilensteinen“.

Alternativ zur dezentralen Cloudlösung wird die Enterprise Edition auch als OnPremise-Version angeboten, die man auf den eigenen Systemen als Private-Cloud nutzen kann.

Cawemo hat zudem der Vorteil der Kooperation, es können mehrere Personen zu Projekten eingeladen werden. Eine gleichzeitige Bearbeitung ist dezentral möglich, z.B. über Kommentare, die einem bestimmten Element zugeordnet werden können. Via Attention Point, einem Präsentationsmarker, kann man in einer Telko für andere sichtbar markieren, über welchen Teil man gerade redet.

Cawemo enthält auch eine History-Funktion, die zeigt, was in vergangenen Versionen enthalten war und wie sich der Prozess entwickelt hat. In der Enterprise-Version sind die jeweiligen Änderungsstufen im Modell grafisch hervorgehoben, die Versionsentwicklung des Prozessmodells ist auf einen Blick farblich visualisiert.

Über eine umfassende Steuerung von Zugriffsrechten können verschiedene Aufgaben verwaltet und Projekte voneinander separiert werden. In der Camunda-Cloud lässt sich sogar eine abgesicherte Organisation als Sammlung von Projekten aufbauen.

Das Modellierunsgtool Cawemo erzeugt keinen ausführbaren Prozess. Die Cloudlösung soll zunächst in der Entwurfs- und Analysephase des Prozesses oder später bei Änderungen und Verbesserungen zum Einsatz kommen.

Nach Abschluss des grafischen Modells können am Prozess weitere technische Eigenschaften konfiguriert werden. Camunda bietet Entwicklern hierfür den Modeler an, um verschiedene Eigenschaften des ausführbaren BPMN-Modells festzulegen.

Die grafische Oberfläche

  • Cawemo ist die cloudbasierte graphische Oberfläche für die Prozess-Modellierung. Via BPMN wird das Prozessmodell erstellt, kommentiert und mit allen erforderlichen fachlichen Spezifikationen erfasst. Die Ergebnisse können als Grafik oder BPML-XML exportiert werden.

  • In der Präsentations-Ansicht steht dem Nutzer ein blinkender Farbpunkt zur Verfügung, der Markierungen erlaubt. Alle Nutzer, die gleichzeitig im Modell online sind, bekommen eine andere Farbe zugewiesen.

  • Die Meilenstein-Ansicht zeigt eine Änderungshistorie des Modell an. In der Enterprise-Version werden die Bearbeitungen im Modell farblich hervorgehoben, so dass alle Änderungen auf einen Blick sichtbar sind.

Fazit

Cawemo als Cloud-Version lässt sich gut nutzen, um verschiedenen Personen eine Zusammenarbeit im Home Office zu ermöglichen. Dabei nutzt Camunda die intuitive Darstellung von BPMN für Einsteiger. Aber auch alte Hasen, die den lokalen Camunda Modeler kennen, finden sich sofort zurecht, da der Camunda Stack zur Darstellung von BPMN überall die gleiche Engine verwendet.

Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass das User Interface von Cawemo dem des Modelers sehr ähnlich sieht. Die feinen Unterschiede betrachten wir im zweiten Teil dieser Serie, wenn wir detailliert auf die beiden Modellierungs-Tools eingehen.